Warum Massenunterkünfte krank machen

Jahresbericht 2020

Die Forschungsabteilung von Refugio München und die LMU München arbeiten gemeinsam an einem Projekt zur Gesundheitsförderung von Menschen mit Fluchterfahrung. Bereichert wird das EMPOW-Projekt durch Expert*innen, die ihre eigenen Erfahrungen aus Flucht und Ankommen einbringen.

Von Anna Huber, Lydia Namutebi und Shqipe Krasniqi

 

Geflüchtete arbeiten an einem partizipativen Forschungsprojekt zu Gesundheit mit. Partizipativ zu forschen heißt, dass die Menschen, um die es geht, als Co-Forschende und Partner*innen beteiligt sind. Das EMPOW-Projekt ist im November 2019 gestartet und wird in München mit Refugio München umgesetzt. Ziel des Projektes ist es, besser zu verstehen, wie Gesundheit nach der Flucht gefördert werden kann. In diesem Beitrag berichten wir, das Team von EMPOW München, von unserer Arbeit im Jahr 2020.

Unser Team besteht aus ca. 15 Klient*innen von Refugio München als Community-Partner*innen, die aus unterschiedlichen Ländern nach Deutschland geflüchtet sind. Außerdem arbeiten Mitarbeitende von Refugio, die selbst eine Migrations- und Fluchtgeschichte haben, sowie Wissenschaftler*innen der LMU München mit. Unsere Gruppe ist auch im Hinblick auf Alter, Geschlecht und der gesprochenen Sprachen sehr gemischt. Durch die Corona-Pandemie fanden zwischen März und Mai 2020 keine Treffen statt. Erst im Sommer konnten wir wieder unter Wahrung von Abständen und mit Hygienekonzept monatlich in kleineren Gruppen zusammenkommen und im Herbst/Winter 2020 konnten wir dann nur noch online zusammenarbeiten.

Die Gruppe einigte sich darauf, zunächst mit der Methode Photovoice zu arbeiten, um die gesundheitlichen Bedarfe geflüchteter Menschen zu bestimmen. Hierfür haben die Community-Partner*innen sehr eindrückliche Bilder und Geschichten mitgebracht, die etwas über ihre Gesundheit und ihre gesundheitliche Versorgung aussagen. Auf diese Weise haben die Community-Partner*innen ihren Alltagserfahrungen Ausdruck verliehen, inklusive Rassismus-Erfahrungen, aber auch Unterstützung durch soziale Netzwerke und Communities sowie Beschreibungen ihres Lebens in Unterkünften.

Viele der Community-Partner*innen müssen in großen Unterkünften und Ankerzentren leben, die es ihnen schwer machen, gesund zu bleiben. Dies liegt z.B. an den psychischen Belastungen durch den Mangel an Privatsphäre und Selbstbestimmung, aber auch an den hygienischen Bedingungen und an der eingeschränkten Möglichkeit, sich entsprechend der eigenen Bedürfnisse und Gewohnheiten ernähren zu können. Ein Beispiel zeigt, wie es schwangeren Frauen in den Unterkünften geht, die dort nicht die Erlaubnis haben, sich eigenes Essen mitzubringen oder zuzubereiten:

Bild1

“I am sharing a small room (container size) with an expectant mother and another lady that makes us three in a small confined space. The expectant mother of course tries to survive through the harsh camp life by trying all means to satisfy her natural cravings as any other pregnant mother would. In this small confined room, she manages to illegally sneak in a cook-plate so that she can prepare her desired meals”.

„Ich teile mir ein kleines Zimmer (Containergröße) mit einer werdenden Mutter und einer weiteren Dame, so dass wir zu dritt auf engstem Raum sind. Die werdende Mutter versucht natürlich, das harte Leben im Lager zu überleben, indem sie mit allen Mitteln versucht, ihre natürlichen Bedürfnisse zu befriedigen, wie jede andere schwangere Mutter auch. In diesem kleinen, engen Raum gelingt es ihr, sich illegal eine Kochplatte einzuschmuggeln, damit sie ihre gewünschten Mahlzeiten zubereiten kann“.

(Foto und Text von Lydia Namutebi)

 

 

Die COVID-19-Pandemie verschärft die Probleme in den Unterkünften erheblich. Es fehlt an Informationen zur Erkrankung, die Ausstattung mit WLAN ist häufig mangelhaft. Die hygienischen Bedingungen erleichtern Ansteckungen, Abstand kann in den kleinen Zimmern und Gemeinschaftsräumen nicht eingehalten werden. Manche Community-Partner*innen von EMPOW waren immer wieder von langen Quarantäne­maßnahmen betroffen.

Um auf diese gesundheitlichen Herausforderungen von geflüchteten Menschen in Deutschland aufmerksam zu machen, werden wir erste Ergebnisse der Zusammenarbeit demnächst auf einer neu entstehenden Homepage vorstellen. Zudem werden wir unsere Arbeit auf Tagungen und Konferenzen präsentieren. Auch planen wir eine Peer-Befragung im Jahr 2021: die Community-Partner*innen werden andere Geflüchtete zu ihren gesundheitlichen Bedarfen befragen, die Gespräche auswerten und hierzu an Veröffentlichungen mitarbeiten.

Das Projekt EMPOW hat eine dreijährige Laufzeit (Nov 2019 – Okt 2022) und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert (Projektleitung: Prof. Dr. Hella von Unger, LMU München). Neben dem Standort München haben sich außerdem je eine Gruppe in Hannover und in Berlin gebildet – mit den Partnerorganisationen der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachen und dem Verein GEDA e.V. in Berlin. Bei Fragen zu EMPOW München wenden Sie sich gerne an Shqipe (Shqipe.Krasniqi@refugio-muenchen.de) oder Anna Huber (anna.huber@soziologie.uni-muenchen.de).

Weiterführende Informationen zum EMPOW-Projekt: https://www.qualitative-sozialforschung.soziologie.uni-muenchen.de/forschung/forschungsprojekte1/empow/index.html