Wenn die Elefanten streiten, werden die Blumen zertrampelt*

Traumatherapie für geflüchtete Kinder

Der UNHCR geht davon aus, dass rund 120 Millionen Menschen auf der Flucht sind, ungefähr die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Bei Refugio München haben wir pro Jahr rund 300 Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse auf der Flucht oder im Herkunftsland in Therapie. Über 1.000 Kinder und Jugendliche unterstützen wir außerdem mit Angeboten der Refugio Kunstwerkstatt.

*afrikanisches Sprichwort

Immer mehr Kinder auf der Welt erleben Krieg und kriegsähnliche Ereignisse: Bombardierungen, Tötungen, terroristische Anschläge und andere Menschenrechtsverletzungen. Kriege und Konflikte zwingen Kinder und Jugendliche mit ihren Familien oder auch alleine zur Flucht. Sie müssen Bezugspersonen, Freunde, ihr vertrautes Umfeld, ihre Schule zurücklassen. Traumatische Erlebnisse können bei Kindern und Jugendlichen häufiger als bei Erwachsenen zu anhaltenden negativen psychischen Folgen führen.

Aber was ist überhaupt ein Trauma?

Als traumatisch bezeichnet man Erlebnisse von lebensbedrohlichem oder katastrophalem Ausmaß, die intensive Gefühle von Angst, Hilfslosigkeit und Ohnmacht auslösen. Das können zum Beispiel das Miterleben von Kriegsszenen, schwere Unfälle sowie körperliche oder sexualisierte Gewalterfahrungen sein. Auch wenn das Ereignis nicht direkt erlebt wird, kann sich insbesondere bei Kindern das Miterleben traumatisierend auswirken. Kinder und Jugendliche tragen ein höheres Risiko für posttraumatische Folgeerkrankungen, weil ihre Coping-Strategien auch von Bezugspersonen abhängig sind. Maßgebliche Faktoren für die Entstehung schwerer Folge-Reaktionen sind nicht nur Art und Schwere des Traumas, sondern auch welche Hilfe sie danach bekommen und welche Unterstützung Eltern oder andere vertraute Menschen bieten können.

Menschen reagieren nach einem katastrophalen Ereignis mit akuten Schock-Symptomen: starke Ängste und Verzweiflung, Überforderungs- und Ohnmachtsgefühle, vegetative Symptome wie Herzklopfen und Schwitzen. Bei einem hochstressigen Ereignis wechselt der Körper fast automatisch in einen Zustand, in dem er jederzeit kampf- oder fluchtbereit ist. Dies ist zunächst eine normale und überlebensnotwendige Strategie, die tief in uns verankert ist und uns hilft, in Gefahrensituationen zu überleben. Diese Überlebensstrategie ist jedoch als kurzfristige Reaktion ‚konzipiert‘. Bei anhaltendem Hochstress entsteht eine Überlastung und die Notfallreaktion wird immer weniger nützlich. Viele geflüchtete Kinder und Jugendliche finden nicht mehr aus dem hochaktivierten und erregten Zustand heraus. Dies führt langfristig zu einer Überlastung, erhöhtem Stress und zu manifesten Symptomen und Erkrankungen. Sie können nicht entspannen, fühlen sich sehr nervös und bedroht – gleichzeitig erschöpft und unkonzentriert. Sie können nicht gut schlafen und sind schnell reizbar, reagieren impulsiv oder ziehen sich zurück. Bei kleineren Kindern kann es vorkommen, dass sie die erlebten Situationen immer wieder nachspielen oder malen. Trauma-assoziierte Stressoren – auch Trigger genannt – sind Gerüche, Geräusche oder optische Reize, die an das traumatische Erlebnis erinnern und starke Anspannungszustände bei den Betroffenen auslösen. Als Traumafolgestörungen treten Depressionen oder Ängste, Sozialverhaltensstörungen und Entwicklungsrückschritte auf.

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Eine sehr hilfreiche Form der Behandlung ist die Kunstherapie.
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Die Kinder verarbeiten das Erlebte, in dem sie es malen.

 

Ohne Behandlung kann die Erkrankung chronifizieren und zur Entwicklung weiterer psychischer oder körperlicher Erkrankungen führen. Bei Kindern und Jugendlichen ist das besonders folgenreich, weil es Auswirkungen auf ihre Entwicklung und damit auf ihr gesamtes zukünftiges Leben haben kann.

In der Abteilung für Kinder, Jugendliche und Familien bei Refugio München werden ambulante Psychotherapien und Sozialberatungen durchgeführt. In einem Erstgespräch werden die Indikation und die Voraussetzungen für eine ambulante Psychotherapie überprüft. Die jungen Patient*innen leiden in der Regel bereits seit längerem unter chronifizierten und sehr schweren psychischen Erkrankungen. Der Fokus der Behandlung liegt auf der Traumatherapie, bei der es zunächst um das Aufbauen einer vertrauensvollen Beziehung und die Stärkung von Ressourcen und Selbstwirksamkeit geht. Im weiteren Verlauf wird eine Trauma-Konfrontation und -Integration angestrebt. Zuvor ist meist viel Motivations-Arbeit notwendig, die sich jedoch lohnt, da die Behandlungsmethoden zu den effektivsten überhaupt in der Trauma-Behandlung gehören. Nach Abschluss der psychotherapeutischen Behandlungen berichten die Kinder und Jugendlichen, dass es ihnen allgemein besser geht, sie besser schlafen können und in der Schule besser zurechtkommen.

Eine 16-Jährige drückt es so aus: „Sie haben mir mein Leben zurückgeben.