36 Monate eingeschränkte Rechte

Wenn Gesundheit zum Privileg wird

 

Die Leistungseinschränkungen bei der medizinischen Versorgung wurden für Asylsuchende auf 36 Monate verlängert. Das bedroht nicht nur ihre physische und psychische Gesundheit, sondern schwächt auch deutlich ihre Chancen auf gesellschaftliche Integration und eine hoffnungsvolle Zukunft.

Geflüchtete Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, stehen vor großen Herausforderungen. Neben den traumatischen Erlebnissen auf der Flucht erschweren rechtliche und strukturelle Hürden ihre Integration und Gesundheit. Menschen mit Fluchterfahrung sind häufig durch Krieg, Verfolgung oder Folter traumatisiert. Der Zugang zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung ist für sie essenziell, um körperliche und seelische Wunden zu heilen. Doch das Sozialgesetz für Asylsuchende, das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beschränkt diesen Zugang erheblich: In den ersten Monaten ihres Aufenthalts können Geflüchtete nur in akuten Notfällen medizinische Hilfe erhalten. Eine Asylrechtsverschärfung aus dem letzten Jahr hat die Situation erheblich verschlechtert: Der eingeschränkte Zugang zu Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung für Geflüchtete wurde auf 36 Monate verlängert. So bleiben chronische Erkrankungen oder psychische Belastungen oft unbehandelt.

Was bedeutet die Verlängerung des Asylbewerberleistungsgesetzes?

Das AsylbLG regelt, welche Sozialleistungen Asylsuchende in Deutschland erhalten, bevor sie Zugang zu regulären Leistungen wie dem Bürgergeld oder einer Krankenkasse haben. Bis Februar 2024 galt der eingeschränkte Leistungsanspruch für 18 Monate. Nun wurde dieser Zeitraum auf 36 Monate verlängert und Geflüchtete müssen noch länger mit einem prekären Zugang zur Gesundheitsversorgung auskommen: Für jede medizinische Behandlung benötigen sie einen sogenannten Behandlungsschein von den Sozialbehörden. Im schlimmsten Fall müssen Asylsuchende ihr Leiden dort detailliert schildern – eine Zumutung, insbesondere bei psychischen Erkrankungen. Psychotherapie ist nicht per se Teil der Leistungen über das AsylbLG, sondern muss extra beantragt werden. Für die Kostenübernahme braucht es außerdem noch ein fachärztliches Attest. Kurz gesagt, es ist langwierig, kompliziert und nicht unbedingt erfolgreich. Aufgrund dieser Komplexität ist Psychotherapie für Asylsuchende fast nur über Psychosoziale Zentren wie Refugio München möglich.

Die Verlängerung der eingeschränkten Leistungen soll laut Gesetzgeber Kosten einsparen und die Attraktivität Deutschlands als Zielland für Migration verringern. Doch diese Maßnahmen haben gravierende Nachteile für die betroffenen Menschen – insbesondere für ihre Gesundheit und ihre Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe. Die Folge sind nicht nur eine Verschlechterung ihrer Gesundheit, sondern auch höhere Behandlungskosten, da Krankheiten oft erst im fortgeschrittenen Stadium behandelt werden. Das heißt insgesamt bedeutet es höhere Kosten für die Gesellschaft. Davon abgesehen belegen bereits mehrere Studien, dass Sozialleistungen im Ankunftsland keinen Einfluss auf die Fluchtgründe haben.

Gesundheit als Grundlage für Integration

Gesundheit ist eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Wenn Menschen nicht gesund sind, können sie weder Sprachkurse besuchen noch arbeiten oder sich aktiv in ihre neue Gemeinschaft einbringen. Eine schlechte medizinische Versorgung behindert somit nicht nur die individuelle Entwicklung der Betroffenen, sondern auch ihre Integration in die Gesellschaft. Eine frühzeitige psychosoziale und medizinische Versorgung ist deshalb ebenso wichtig für die Gesellschaft, in der sie leben. Aus unserer langjährigen Erfahrung wissen wir, das psychische Erkrankungen aufgrund von traumatischen Ereignissen sehr gut und erfolgreich zu behandeln sind! Traumatherapie und psychosoziale Beratung helfen dabei, Erlebtes zu verarbeiten und neue Perspektiven zu entwickeln.

Ein Appell für mehr Menschlichkeit

Statt Barrieren aufzubauen, sollten wir Wege finden, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern – dafür ist auch eine frühzeitige Identifizierung der Bedarfe durch niedrigschwellige Angebote direkt in den Unterkünften essenziell. Geflüchtete Menschen haben nicht nur das Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung, sondern auch auf eine faire Chance für ein gesundes Leben und eine gelingende Integration. Es liegt an uns allen – Politik, Zivilgesellschaft und Hilfsorganisationen – geflüchteten Menschen die Chance zu ermöglichen, ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu werden, die sie aufgenommen hat.