Fragen und Antworten für Helfende, die Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen

Psychosoziale Unterstützung von Geflüchteten

Die Hilfsbereitschaft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine ist überwältigend. Im Gegensatz zu anderen Schutzsuchenden können Ukrainer*innen auch privat wohnen – für die Aufnehmenden kann die Hilfe für traumatisierte Geflüchtete aber eine große Herausforderung sein. Wir von Refugio München haben uns die Therapie und Beratung für Menschen, die aufgrund von Krieg, Folter und Flucht traumatisiert wurden, zur Aufgabe gemacht. Wir haben hier Informationen für Menschen, die geflüchteten Ukrainer*innen helfen, zusammengestellt. Bitte zögern Sie aber nicht, eine Fachstelle aufzusuchen, wenn Sie den Eindruck haben jemand benötigt professionelle Hilfe.

 

Ich überlege, eine geflüchtete Person aufzunehmen, an was muss ich denken?

Alle Hilfsangebote wie die private Aufnahme von Geflüchteten sind erstmal wichtige Zeichen von Solidarität und Mitgefühl und werden von den Menschen sehr dankbar angenommen und vermitteln Hoffnung und Sicherheit. Die Aufnahme von Geflüchteten ist eine verantwortungsvolle Aufgabe und sollte gut überlegt und mit allen Familienmitgliedern und Mitbewohner*innen besprochen werden, so dass es nicht zu Überforderungssituationen kommt. Es kann sein, dass man nicht nur einen Schlafplatz anbietet, sondern darüber hinaus Engagement, Zeit und Aufmerksamkeit gebraucht werden.

Was können psychische Reaktionen auf Traumatisierungen sein?

Menschen aus Kriegsgebieten zeigen häufig psychische Reaktionen wie Ohnmachts- und Kontrollverlustgefühle, Ängste, körperliche Anspannung und Schlafstörungen. Es kann auch zu emotionaler Taubheit kommen, wo Menschen ihre Gefühle kaum noch wahrnehmen können.

Reagieren Kinder und Jugendliche anders?

Kinder und Jugendliche zeigen nicht selten andere Reaktionen als Erwachsene, sie können gereizt wirken oder wollen sich nur ablenken und nichts mehr mit dem Krieg zu tun haben. Kinder spielen Kriegsszenen nach, das sind in der posttraumatischen Akutphase normale kindliche Reaktionen. Kinder, die sich gut ablenken können oder z.B. ein Stofftier bekommen, um das sie sich kümmern können, zeigen weniger längerfristige psychische Störungen.

Darf ich die Betroffenen auf die Kriegserlebnisse ansprechen oder sollte ich sie ermutigen darüber zu reden?

Nein, das sollten sie nicht machen. Direktes Nachfragen bzw. sogar Ausfragen kann schädlich sein. Jedoch sollte eine Atmosphäre geschaffen werden, wo Menschen von sich aus erzählen oder Fragen stellen können. Gerade Kinder brauchen ein gewisses Maß an Informationen, das Gespräch mit ihnen sollte sich aber an ihren Fragen ausrichten. Für die Helfer*innen ist es dabei wichtig, auch auf eigene Grenzen zu achten.

Was kann ich machen, wenn Geflüchtete in Krisen geraten?

Akuttraumatisierte sind anfälliger für Krisen, sie leiden plötzlich unter sehr extremen Stress und können ihre Gefühle – vor allem Ängste und Gedanken – nicht mehr so gut regulieren. Hilfreich können alle Tätigkeiten sein, die die Betroffenen ablenken oder ins Hier und Jetzt holen, z.B. durch Atemübungen, Kaltduschen/kaltes Wasser ins Gesicht, Spaziergänge, körperliche Betätigung. In der Regel sind akute Krisen so gut in den Griff zu bekommen.

Sind Beruhigungsmittel sinnvoll?

Psychische Reaktionen auf traumatische Erlebnisse sind normale Reaktionen und wichtig für die Verarbeitung der Ereignisse. Der Einsatz von Medikamenten muss von eine*r Fachärzt*in oder in der Notfallambulanz beurteilt werden.

Brauchen jetzt nicht alle Geflüchteten eine Therapie?

Nein, bei vielen Menschen bilden sich die psychischen Reaktionen auf die Akuttraumatisierungen wieder zurück. Hilfreich und unterstützend sind Hilfs- und Beschäftigungsangebote, die Struktur, Sicherheit und die Rückkehr zur „Normalität“ bietet. Für Kinder heißt das z.B. Kindergartenbesuch oder Schulbesuch. Erwachsene profitieren davon, in sinnvolle Tätigkeiten eingebunden zu werden, was das Gefühl von Selbstwirksamkeit fördert. Sehr wichtig ist auch der Kontakt zu Bezugspersonen und anderen muttersprachlichen Menschen.

Leider gehört Krieg und Flucht zu den Trauma-Arten, die nicht selten zu komplexen Traumatisierungen und mittel- und langfristigen psychischen Problemen führen kann. Hier ist professionelle Hilfe angezeigt, die zum Beispiel bei Refugio München mit Hilfe von Dolmetscher*innen geleistet wird.  

Übernehmen die Krankenkassen die Therapiekosten?

Die Geflüchteten aus der Ukraine werden vorerst über das Asylbewerberleistungsgesetz krankenversichert. Leider werden darüber die Kosten für Psychotherapie meist nicht oder nicht frühzeitig genug übernommen. Deshalb ist Refugio München bei der therapeutischen Versorgung von Geflüchteten auch auf Fördermittel und Spenden angewiesen.

Ab 1. Juni 2022 sollen Geflüchtete aus der Ukraine eine staatliche Grundsicherung erhalten, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger und damit eine normale Gesundheitsversorgung über die gesetzliche Krankenversicherung.

 

Wenn Sie weitere Informationen zur psychosozialen Unterstützung von Geflüchteten benötigen, wenden Sie sich bitte an unser Beratungstelefon:
Montag: 10-12 Uhr | Donnerstag: 14-16 Uhr
Telefon: 089 / 98 29 57 0
oder per E-Mail an info@refugio-muenchen.de